Freitag, 2. März 2007
AUSWANDERN GANZ ALLEIN? EIN WAGNIS!
Jeder Quantenphysiker würde einen hervorragenden Seelsorger abgeben, wenn er sich nur allgemeinverständlich ausdrücken könnte. Denn diese Zunft behauptet, wenn man ihre Ausführungen konsequent zu Ende denkt, dass es das
Alleinsein nicht gäbe. Selbst wer allein ist, ist permanent mit Allem und allen verbunden. Da jedes Atom im Universum mit jedem anderen Atom verbunden ist. Wie sonst könnte Telepathie und Telekinese funktionieren?! Sobald man an jemanden denkt, ist man mit ihm in Verbindung, ob man es nun will oder nicht. Das Leben besteht aus Schwingung und Energie. Und je nachdem was und wie wir denken, gestaltet sich unsere Umwelt. Zugegeben: Diese einfache Regel zu beachten, fällt auch mir manchmal schwer.

Wer ganz allein ins Ausland geht, ist meist sehr viel offener für neue Kontakte als Paare, die sich selbst genug sind. Haben Rentner den Vorteil über jede Menge Zeit zu verfügen und Hobbies nachgehen zu können, wo sich schnell Kontakte knüpfen lassen, so muss, wer arbeitet und "allein" ist, sich schon was einfallen lassen. Oft ergeben sich Freundschaften zu Arbeitskollegen, wenn man auf der selben Wellenlänge funkt. Ich hatte da Glück. Martina aus Prag, verheiratet mit Michel aus Belgien, alle arbeiteten wir in der selben Firma (mittlerweile sind wir aber alle dort weg), hat sich nicht nur als nette Kollegin entpuppt. Noch heute helfen wir uns gegenseitig mit Tips oder plündern ihren Orangenbaum und Kräutergarten. Über Martina erhielt ich die Adresse von Claudia, einer asesoría, um unseren Lohnsteuerjahresausgleich bearbeiten zu lassen. Claudia ist halb Argentinierin, halb Hamburgerin und es entwickelte sich auch hier schnell eine über das Geschäftliche hinausgehende Freundschaft. Claudias Mann, Gustavo
layoutete meine
Website in voller künstlerischer Freiheit und zu meiner vollen Zufriedenheit. Auch wenn der Zeilenabstand etwas zu klein ist.
Leider mussten wir gerade Abschied nehmen, da Claudia nach zehn Jahren Torrevieja, Spanien mit ihrer Familie den Rücken gekehrt hat. Für uns alle sehr traurig. Nicht nur, weil wir einen neuen Steuerberater suchen müssen. Die spontanen nächtlichen BBQ-Parties am Strand, ihr Engagement bei behördlichen Problemen, als ginge es um ihr eigenes Leben....dafür gibt es keinen Ersatz! Würden die Deutschen alle so herzlich und liebevoll miteinander umgehen, wie ich es bei Argentiniern beobachten konnte - das Land wäre ein Paradies. Trotz Hartz IV.

Kontakte zu anderen Ausländern in Spanien sind leichter herzustellen als zu den Einheimischen. Jedenfalls ist dies einhellige Meinung der in Torrevieja lebenden Nordeuropäer. Vielleicht liegt es daran, dass man Ausländer unter 65 Jahren hier mit der Lupe suchen muss und die Torreviejenser schon zu lange unter sich blieben, da die Rentner meinen, weil sie ihr Geld hier ausgeben, kein Spanisch lernen zu müssen. Ausserdem ist diese Stadt durch Engländer, Ukrainer, Skandinavier, Deutsche, Rumänen und Albaner etwas überfremdet und galt 2005 statistisch gesehen noch als kriminellste Stadt Spaniens. Fast alle meine Kollegen wurden schon in ihrem eigenen Haus beraubt. Teilweise, als sie anwesend waren. Einige wurden sogar nachts im Schlaf durch Gas betäubt. Aber nicht durch Spanier, sondern durch die gefürchteten rumänischen und ukrainischen Gangs, die tagsüber unsichtbar sind.

Wer also im Schichtdienst arbeitet oder acht Stunden am Tag als Verkäuferin auf den Beinen stehend verbringt, hat abends wenig Lust und Kraft (hängt natürlich vom Alter und der individuellen Fitness ab) auf die Piste zu gehen, einen Tanzkurs oder kulturelle Veranstaltung (sofern im Angebot) zu besuchen. Ich persönlich halte nichts von virtueller Kontaktanbahnung per Internet, da echte Verbindung durch Unmittelbarkeit, durch Absichtslosigkeit entsteht. Glücklicherweise sind die Geschmäcker verschieden und so steht diese Möglichkeit denjenigen offen, die darauf stehen. Auch habe ich keine anderen Deutschen hier kennenlernen wollen. Sind eh alles Rentner oder zwielichtige Typen, ausser einen Spanischkursteilnehmer, der sich als Zahnarzt auch ganz schnell nach Granada verholt hat. Ansonsten: Rausgehen, ausgehen, mit Einheimischen reden, auch wenn sich keine Freundschaft entwickelt: Man wird wenigstens beim Wiedersehen auf die Wangen geküsst oder im Vorbeifahren angehupt. Und ein smalltalk auf Spanisch kann sich schnell zur philosophischen Diskussion über das versklavte Menschenleben im Neoliberalismus steigern.

Zugegeben: Auf lange Sicht auch ein bisschen wenig. Bleibt oft nur: Schnellstmöglich in eine grössere Stadt umziehen, möglichst mit Universität. Das beste Mittel gegen Rentnerallergie und "was soll ich bloss hier" -Depression. Wer will schon den Rest des Lebens nur mit den unsichtbaren Atomen kommunizieren?

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