Samstag, 24. Februar 2007
¿WAS TUN BEI MALOS TRATOS?
Auch häusliche Gewalt ist ein Thema in den spanischen Nachrichten. So wurden im Jahr 2006 offiziell 59 Frauen von ihren (Ehe)Männern ermordet. Im Februar 2007 waren es bereits elf. Auf der anderen Seite präsentiert sich die spanische Gesellschaft erstaunlich emanzipiert. So habe ich in keinem anderen Land, welches ich bereiste ( u.a. Dänemark, Holland, England inkl. Guernsey, Jersey und Scilly Islands, Griechenland, Ägypten, Kanada, Portugal mit den Azoren, Bermudas, karibische Inseln) so viele Männer Kinderwagen schieben sehen, während die spanischen Frauen Pipas knabbernd gemütlich nebenher schlendern. Auch das ist Spanien.

Misshandlungen am Arbeitsplatz gehörten in den 70er Jahren noch zur Tagesordnung. Einigermassen geschockt musste ich als 14-Jährige beobachten, wie Kellner in einem Strandrestaurant von ihrem Chef vor aller Augen geohrfeigt wurden, wenn sie eine Bestellung vergassen oder nicht schnell genug bedienten. Heute steht so ein Verhalten unter Strafe. Das hält wenig gebildete ausländische Chefs aber anscheinend noch lange nicht davon ab, sich zu gebärden wie durchgeknallte Diktatoren. So wurde ich, wohl weil ich zweimal fragte, weshalb wir nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Mindesturlaub erhalten, zuerst von meinem englischen Chef-Ehepaar psychisch geärgert (Beleidigungen, auch unter der Gürtellinie, falsche Informationen und alles, was so zum anständigen Mobbing gehört) und dann von ihr auch noch ohne jeden Grund tätlich angegriffen. Aus heiterem Himmel riss sie mich am Handgelenk und schleifte mich ca. zwei Meter auf meinem Bürostuhl über den Fussboden, weil ich eine e-mail an einen Kunden zu Ende schreiben wollte und nicht sofort aufsprang, um ihr zu Diensten zu sein. Neben Kopfschmerzen hatte ich zwei gut sichtbare rote Striemen am Handgelenk. Sicher hoffte sie, dass ich sofort wutentbrannt meinen Arbeitsplatz verlassen würde. Das hätte ihr einen Grund geliefert, mich zu kündigen, ohne Abfindung zahlen zu müssen! Aber ich blieb und arbeitete weiter, weil mir mein Job Spass machte. FEHLER! Ich hätte in der Mittagspause zur Guardia Civil gehen müssen, um sie anzuzeigen. Die Folgen der Attacke waren noch sichtbar. Ausserdem hatte ich drei Zeugen für die Tat, die aber dummerweise alle meine Kollegen waren. Schon deshalb scheute ich eine Anzeige, bibberten sie doch voller Angst, vor Gericht die Wahrheit sagen zu müssen. Aus falscher Rücksichtnahme unternahm ich nichts.
GANZ FALSCH! Denn jetzt ging das Mobbing richtig los.

Also: Bei körperlichen Attacken sofort (heisst in der Mittagspause oder nach Feierabend - keinesfalls während der Arbeitszeit!!!) Zeugen schnappen und ab zur Guardia Civil, eine denuncia por malos tratos machen. Auch der zuständige Inspector de los trabajadores sollte informiert werden. Unternimmt man aus falscher Rücksichtnahme gegenüber seinen Kollegen nichts, kann man Gift darauf nehmen, dass es nur noch schlimmer wird und man sich nach wenigen Wochen mit psychosomatischen Beschwerden herumschlagen muss.

Genauso sollte man mit seinen Blessuren sofort zum Centro de Salud gehen, damit die körperlichen Misshandlungen auch dort aktenkundig werden. Man erhält dann sofort eine Krankschreibung wegen Ansiedad= Angstzustände. Seit wenigen Jahren ist diese Krankheit wegen der hohen Mobbing Rate offiziell anerkannt. Wer genug Nerven und Geld hat, wendet sich ausserdem an eine der starken spanischen Gewerkschaften, um diese Angelegenheit gütlich gegen Abfindung zu regeln oder sich gerichtlich vertreten zu lassen. Damit rechnen gerade englische Arbeitgeber nicht, da ihre Angestellten zu 95% Landsleute sind, die so gut wie kein Spanisch sprechen und somit alles sklavengleich akzeptieren (müssen). Das betrifft selbstverständlich auch alle schrägen Typen anderer Nationen! Auch Deutsche hier! Aber Engländer sind nun mal leider Fremdsprachenverweigerer und gehen davon aus, dass alle Welt gefälligst Englisch sprechen können muss.

Also: Bei Misshandlungen am Arbeitsplatz Beweise sammeln, Anzeige erstatten und sofort zum Arzt! Auf keinen Fall selber kündigen! Genau das beabsichtigen die Übeltäter nämlich, um die Abfindung zu sparen. Ausserdem verliert man seine Ansprüche aus der Sozialversicherung, wenn man selber kündigt.

Das alles ist anstrengend und zusätzlich belastend, hat man doch schon unter psychischer und physischer Gewalt leiden müssen, aber man tut etwas, um seine Würde wieder hergestellt zu wissen. Umso wichtiger sind Sprachkenntnisse, die über Bestellungen im Restaurant weit hinausreichen. Ist man erst einmal durch diese ungewöhnliche Erfahrung hindurch, erscheinen einem die Probleme der Daheimgebliebenen winzig. Können sie diese doch ganz geschmeidig in ihrer Muttersprache lösen. Es kann nicht oft genug betont werden: Blauäugig nach Spanien auszuwandern, ohne gute Sprachkenntnisse, geht nach hinten los.

PS: 26.02.2007: Todesopfer Nummer 12 durch häusliche Gewalt. Der Satz "bis dass der Tod euch scheidet" wird hier ernst genommen und sollte auch in Deutschland als verfassungsfeindlich eingestuft werden. Im reifen Alter von 45 -50 kann man solche Wörter mit gutem Gewissen von sich geben, ansonsten kommt dieser verhängnisvolle Satz, wenn er ernst gemeint ist, einem Aufruf zu Mord und Totschlag gleich.
27.03.2007: Todesopfer Nummer 16 durch eheliche Gewalt.
10.04.07: Auch Frauen töten einander, wie auf TVE1 in der Sendung "Gente" verkündet. So brachte auf Teneriffa eine Lesbe ihre Lebensgefährtin um. Zweite Mordmeldung an diesem Tag: Mal wieder in Torrevieja fand die Guardia Civil eine 53-jährige Belgierin, die als Witwe allein in einem der Urbanisations-Häuschen lebte, mit eingeschlagenem Schädel vor. Sie wurde wohl von einem Einbrecher überrascht. Der stumme Augenzeuge, ihr Hund, hat überlebt.

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